Canon de 75 modèle 1897

Das Feldgeschütz Canon de 75 modèle 1897 gilt als erstes, modernes Artilleriegeschütz, welches ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich eingeführt wurde und noch bis in den zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde.

1891 wurde von der Firma Bourges Arsenal unter der Leitung von Captain Sainte-Claire Deville ein neuartiges 57 mm Geschütz entwickelt, welches bereits die meisten der zu dieser Zeit fortschrittlichsten Technologien der Artillerie nutzte:

  • Das rauchlose Pulver von Vieille, das 1884 eingeführt wurde
  • Eine in sich geschlossene Munition Messing
  • Ein kurzer hydropneumatischer Rückstoßmechanismus, der von Major Louis Baquet entworfen wurde
  • Ein von Thorsten Nordenfelt entwickelter neuartiger Drehverschluss

Diese als experimentelles Geschütz konzipierte Waffe sollte als Grundlage für weitere Entwicklungen dienen. Besonders der Rückstoßmechanismus sollte noch verbessert werden. Denn bereits 1890 hatte der deutsche Ingenieur Konrad Haussner ein mit Öl und Druckluft funktionierendes Rückstoßsysteme entwickelt und patentieren lassen. Der Direktor der französischen Artillerie Schule General Mathieu wusste zudem durch den Geheimdienst, dass die deutsche Waffenschmiede Krupp dieses System eventuell übernehmen wollte.

Allerdings wollte Konrad Haussner später sein Patent gewinnbringend verkaufen, so dass im Februar 1892 auch französische Artillerieingenieure die Möglichkeiten erhielten, sich dieses System genauer anzuschauen. Da Frankreich zu dieser Zeit noch nicht über ausreichend finanzielle Mittel für solch einen Kauf verfügte, fragte General Mathieu den damaligen Direktor des Atelier de Construction de Puteaux, ob ein französischer Nachbau ohne die Verletzung der Patentrechte möglich sei. Nach einer Überprüfung und der Bestätigung, dass ein derartiger Nachbau möglich sei, wurde am 13. Juli 1892 der offizielle Auftrag vom Militär erteilt.

Unter der Leitung von General Deloye wurde in den nächsten 5 Jahren unter strengster Geheimhaltung an einem serienreifen Artillerie Geschütz mit einem Kaliber von 75 mm gearbeitet. Im März 1898 wurden die ersten Prototypen für Tests vorgestellt. Im Sommer wurden umfangreiche Prüfungen durchgeführt. Insgesamt erwies sich das Geschütz als sehr vielversprechend, allerdings hatte auch dieses, wie die meisten anderen Geschütze zu dieser Zeit, austretende Hydraulikflüssigkeit. Die Geschütze wurden somit für eine Überarbeitung an die Firma zurück gegeben.

Zwei junge Militäringenieure der Firma Ecole Polytechnique konnten schließlich bis in das Jahr 1896 die Probleme mit der austretenden Flüssigkeit lösen indem die Silberlegierungsringe auf dem frei beweglichen Kolben verbessert wurden und somit die Druckluft und die Hydraulikflüssigkeit im Inneren des hydropneumatischen Hauptrückzugzylinders abtrennte, die damit nicht mehr auslaufen konnte.

Nach mehreren Tests auch im schwierigen Gelände und Bedingungen wurde das Geschütz offiziell am 28. März 1898 in die französische Armee eingeführt.

Bis zur Einführung des Geschützes und der offiziellen Vorstellung, galt sowohl die Entwicklung als auch die Produktion die höchste Geheimhaltung. Durch den hydropneumatischen Rückstoßmechanismus verblieben nach dem Abfeuern sowohl der Lauf als auch die Räder in der gleichen Position. Dadurch musste das Geschütz nicht nach jedem Schuss neu ausgerichtet werden. Mit einer Reichweite von rund 8.500 Metern und einer Feuerrate von 15 Schuss pro Minute, mit einer erfahrenen Mannschaft über einen kurzen Zeitraum waren sogar 30 Schuss pro Minute möglich, galt dieses Geschütz als das modernste der damaligen Zeit.

 

 

Canon de 75 modèle 1897

 

Canon de 75 modèle 1897

 

Canon de 75 modèle 1897 und ihre Bedienmannschaft

 

 

Zu Beginn des ersten Weltkrieges verfügte die französische Armee über fast 4.000 dieser Geschütze. Diese wurden zu einer Feldkanonenbatterie mit je 4 Geschützen und 170 Soldaten, dazu 4 Offiziere zusammengefasst. Für den Transport eines Geschützes waren 6 Pferde notwendig.

Bis zum Kriegsende wurden weitere 17.500 Geschütze hergestellt. Um diese Mengen überhaupt produzieren zu können, wurden Anfang 1915 neben den staatlichen Firmen auch Privatunternehmen in die Produktion mit einbezogen. Das führte jedoch dazu, dass schlechtere Material verarbeitet wurde und Mitte 1915 viele Geschütze unbrauchbar wurden. Erst als das französische Verteidigungsministerium einheitliche Standards durchsetzte, konnten die Qualität wieder deutlich erhöht werden.

Neben der französischen Armee erhielt auch die britische und später die amerikanische Armee die Exportversionen der Geschütze.

Besonders während der Schlacht um die Marne im August bis September 1914 und um Verdun 1916 konnten sich diese Geschütze auszeichnen. Alleine in Verdun waren rund um die Uhr 1.000 Geschütze im Einsatz um gegen die deutschen Truppen eingesetzt zu werden.

Mit dem Beginn des Stellungskrieges zeigte sich jedoch auch die Schwäche des Geschützes. Dieses war von Beginn an für den Einsatz gegen vorstürmende Soldaten gedacht. Diese sollten mit Schrapnell oder Melinit Granaten getötet oder verletzt werden. Gegen befestigte Anlagen oder Betonbunker richteten die Geschütze kaum etwas aus.

So wurden die Geschütze Anfang 1917 nach und nach gegen die schweren Kaliber 155 mm Geschütze ausgetauscht. Einige der Canon de 75 modèle 1897 hingegen verblieben an der Front und wurden für den Abschuss von Senfgas und Phosgen für die chemische Kriegsführung genutzt.

 

 

Amerikanische Soldaten an Canon de 75 modèle 1897 Geschützen

 

Eine Canon de 75 modèle 1897 ist für den Transport bereit

 

Französische Soldaten an einer Canon de 75 modèle 1897

 

 

Einiger der Geschütze wurden auch für die neuen Saint-Chamond Panzer als Bewaffnung verwendet.

 

 

Saint-Chamond Panzer

 

 

Nach dem ersten Weltkrieg wurden viele der französischen Geschütze an die neue polnische Armee geliefert um diese beim Kampf gegen die Sowjetunion zu unterstützen. Unter der Bezeichnung 75 mm Armata wz.1897 waren 1939 mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht noch rund 1.374 Geschütze im dienst in der polnischen Armee. Diese wurden teilweise während des Krieges zerstört, viele konnten jedoch von Deutschland erbeutet werden.

Die in der französischen Armee verbliebenen Geschütze wurden nach dem ersten Weltkrieg modernisiert und als Panzerabwehr Geschütz umfunktioniert. Als Canon de 75 Mle 1897/33 erhielten die Geschütze Gummireifen um eine entsprechend hohe Geschwindigkeit für die neuen Lastkraftwagen aufbringen zu können. Ebenso wie die polnischen Geschütze konnte die deutschen Wehrmacht auch viele der französischen Geschütze nach dem Sieg erbeuten. Insgesamt wurden über 3.500 Geschütze erbeutet, die auf die deutschen Pak 38 Wagen montiert und überwiegend in Russland eingesetzt wurden. Als diese Geschütze gegen die leistungsstärkeren 7,5 cm Pak 40 ausgetauscht werden konnten, wurden die älteren Geschütze überwiegend im Atlantikwall verbaut.

Auch das britische Expeditionskorps verlor den größten Teil ihrer im ersten Weltkrieg von Frankreich gekauften Geschütze, als die deutsche Wehrmacht in Frankreich einmarschierte und die Briten bei Dünkirchen zur Flucht über den Ärmelkanal trieb. Nach dem Verlust kaufte Großbritannien 895 Geschütze aus den USA, die ebenfalls im ersten Weltkrieg viele Geschütze aus Frankreich gekauft und unter Lizenz teilweise selbst gebaut hatte. Neben den Geschützen wurden auch viele Halbketten M3 Fahrzeuge importiert, die überwiegend als Zugfahrzeuge für die Geschütze dienten.

In den USA wurden die Geschütze 1941, noch vor Beginn des Kriegseintritts, durch die moderneren M2A1 105 mm Haubitze M101 als Standard Panzerabwehr Geschütz ersetzt. Die nun frei gewordenen Geschütze wurden auf M3 Half-Tracks montiert und überwiegend im Pazifik Krieg gegen japanische Truppen eingesetzt.

 

 

Polnische Soldaten des 1. Feld Artillerie Regiments werden in Großbritannien an einem französischen 75 mm Geschütz ausgebildet

 

Amerikanische Soldaten während des Tenessee Manövers 1941 mit einem M2 Halftrack und einem 75 mm Geschütz

 

Amerikanische Soldaten während des Tenessee Manövers 1941 mit einem M2 Halftrack und einem 75 mm Geschütz

 

 

 

Datenblatt:

Bezeichnung: Canon de 75 modèle 1897
Herstellerland: Frankreich
Einführungsjahr: 1898
Stückzahl: über 21.000 Stück
Kaliber: 75 mm
Rohrlänge: 2,69 Meter
Reichweite: Max. 8.500 Meter
Gewicht: 1,54 Tonnen

 

 

 

 

 

This post is also available in: English (Englisch) Français (Französisch) Italiano (Italienisch) 简体中文 (Vereinfachtes Chinesisch) Русский (Russisch) Español (Spanisch) العربية (Arabisch)

Kommentare sind deaktiviert.

error: Content is protected !!